Wir kämpften uns wieder einmal durch das Neuheiten-Angebot zum Thema Fahrzeuge auf zwei und vier Rädern,
stellen hier ein weiteres lesenswertes Exemplar kurz vor.
von Achim Stahn
Anfang der 60er Jahre entwarf der am 2. August 1928 in Berlin geborene Allrounddesigner Lutz (Luigi) Colani auf Basis des VW Käfer eine windschnittige Sportkarosserie. Die verschaffte ohne Umbauten am Motor dem nun offenen Wagen rund 20 km/h mehr Spitzengeschwindigkeit. Das war damals eine ganze Menge.
Colani
begann seine außergewöhnliche
Karriere als Designer im Paris der frühen 50er Jahre zunächst im Bereich
des Automobildesigns. Studien der Aerodynamik an der dortigen Sorbonne
und das Kennenlernen neuartiger Werkstoffe beim Flugzeughersteller
Douglas in Amerika prägten seine spätere Arbeit intensiv, ließ sie nicht
mehr los.
Die Gestaltung und
Anwendung von Kunststoffen
plus seine der Natur entlehnten biodynamischen Formen spielten seither
eine prägende Rolle in seinem Formschaffen. Seine Kreativität kannte
keine Grenzen, nicht im Kopf und auch nicht auf unserem Globus.
Mit
seinem schier unerschöpflichen Vorrat an Ideen, begeisterte er
Auftraggeber im Heimatland ebenso wie in China, Japan oder den USA.
machten ihn zum ersten weltweiten Popstar im Design.
Es gab nichts, worüber er sich keine Gedanken zur Verbesserung machte. Seine Studien für Überschallflugzeuge, Hochgeschwindigkeitszüge oder bio-organische Städte waren ebenso visionär wie aerodynamische Alltagsartikel von Möbeln, Sanitärprodukten, Sportgeräten, Computern, Kameras und Uhren bis
Schmuck.
Mobilität faszinierte ihn
1953 entwickelte Colani bei der französischen Automarke Simca die erste
Vollkunststoffkarosserie.
1955 kehrt er nach Berlin zurück, wo er unter anderem für
die Nobelkarosseriehersteller Erdmann & Rossi und Rometsch
preisgekrönte Karosserieentwürfe zu realisieren begann. Parallel
entwickelt er sein Kunststoffdesign weiter, das in den 60er Jahren zum
Kleinsportwagen Colani GT führte, der als Bausatz auf VW-Basis einen
Ikone des Lebensstils der 60er Jahre wurde. 261 wurden gebaut.
Die Geschichte dahinter
Luigi Colani fertigte zusammen mit dem erfahrenen Kunststoffexperten
Heinz Kühle in Berlin in den 60er Jahren 261 der ultraflachen
Sportzweisitzer auf Basis des VW-Käfers.
Produziert
wurde der Wagen in der Firma Canadur. Doch Ideen sind die eine Sache,
Umsetzung die andere. Die Herstellung dauerte zu lang, 150 Mitarbeiter
kosteten viel Geld, am Ende erwis sich die Produktion als zu
unrationell, Geld verdienen konnte man damit nicht.
Der letzte gefertigte Colani GT landete auf einem Trabrennen in Berlin als Siegerprämie.
Die Bauweise
Beim VW Colani GT bestand die Karosserie aus glasfaserverstärktem Vestopal der Chemiewerke Hüls.
Die Werkstoffkombination von ungesättigtem Polyesterharz und feinen
Glasfasern verlieh der gesamten Außenhaut eine hohe Festigkeit. Bei
Zusammenstößen ergab das einen größeren Schutz für die Insassen.
Im Vergleich zu Stahlblech ist dieses Material unempfindlich gegen Rost
und Korrosion, deutlich leichter, dröhnfester und anspruchslos in der
Pflege.
Probleme
gab es immer wieder mit Volkswagen, der damalige VW-Boss Heinrich
Nordhoff gab kein grünes Licht zur separaten Lieferung des
Käfer-Chassis.
Die Folge: wie
andere Hersteller von VW-Sonderkarosserien musste sich auch die
Manufaktur Canadur komplette Käfer besorgen und die überflüssigen
Blechkleider verkaufen. Zeitaufwendig und teuer.
Auf die Käfermechanik (Achsen, Motor, Getriebe, Plattformrahmen) wurde dann die dreiteilige Kunststoff-Karosserie aufgesetzt.
Der fahrfertige VW Colani GT wog damit nur 0,55 Tonnen, 170 kg weniger als der Käfer.
Türen
gab es keine, als Verdeck fungierte eine durchsichtige Plexiglaskuppel,
die zum Ein- und Aussteigen nach hinten weggeklappt werden konnte.
Alternativ gab es ein Kunststoffdach mit Flügeltüren und ein zusammenklappbares Stoffverdeck.
Als Frontscheibe wurde zunächst die Heckscheibe des VW Karmann Ghia Coupé eingebaut.
Später lieferte diese die Firma Südglas in Bietigheim.
Nicht Jedermanns Geschmack war die Sitzposition.
Denn der Kunststoffschalensitz war direkt auf dem Käfer-Bodenblech montiert.
Optional gab es diverse Extras. Dazu gehörten hölzernes Sportlenkrad, Tourenzähler, Talbotspiegel, Armaturenpolsterung oder Porsche-Felgen.
„Verbunden mit der millionenfach bewährten Qualität des VW 1200 werden Sie einen Sportwagen besitzen, der ihnen nur Freude bereitet“, stand im Werbeprospekt.
Wenig Freude dagegen gab es bei der TÜV-Abnahme.
Die zu niedrig montierten Blinker mussten ganz normalen Käfer-Richtungsanzeigern auf den schlanken Plastik-Kotflügeln weichen.
Das Fahrzeug wurde anfangs nur als Bausatz angeboten, doch die Nachfrage zur Selbstmontage war eher bescheiden.
Als Fertigfahrzeug ging es deutlich besser.
Doch
durch die Montage im Werk und immer höhere Quälitätsansprüche kletterte
der Preis von 1.950,- DM (ohne Fahrgestell) auf bis zu 7.000,- DM hoch.
Bis
heute hat der Colani GT zwar eine eingeschworene Fangemeinde gefunden,
Automobilhistorikern und Oldtimerfans fällt es bisweilen jedoch schwer,
dieses, obgleich schon über 50 Jahre alte, Gefährt in die richtige
Schublade einzuordnen. Buggy, Sonderkarosserie auf VW-Basis, Kit Car
oder gar Skulptur eines extravaganten Künstlers – vielleicht liegt
gerade darin der Reiz dieser Konstruktion.
Das vorliegende Buch versucht dem Phänomen Colani GT näher zu kommen.
Die Entstehungsgeschichte wird ebenso beleuchtet wie Produktion und Vertrieb.
Persönliche Geschichten von Colanifahrern ergänzen das Werk.
In
altbewährter Tradition darf der Leser auch diesmal wieder dem Autor und
gleichzeitig Restaurator eines Colani GT bei der detailreichen
Restaurierung über die Schulter schauen.
Alle Fakten zum Buch
-
Titel: Colani GT
- Autor: Alexander Diego Fritz
- Verlag: Brüder Hollinek
- Erscheinungstermin: 01.08.2018
- Ausstattung: gebunden
- ISBN: 978-3-85119-375-6
- Seiten: 304
- Format: 26,5 x 19,5 cm
- Preis: 49 Euro
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